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.»Stellen Sie mir solche Fragen nicht mehr!« erwiderte sie.»Genau heute vor drei Jahren ist der, der mich liebte, der einzige Mann, dessen Glück ich alles, bis auf meine Selbstachtung, geopfert hätte, gestorben; ist gestorben, um meine Ehre zu retten.Diese Liebe ist jung, rein, voller Illusionen zu Grabe gegangen.Ehe ich mich dieser Leidenschaft hingeben konnte, in die mich ein Verhängnis ohnegleichen hineintrieb, war ich durch etwas verführt worden, was so viele junge Mädchen ins Verderben stürzt: durch einen unbedeutenden, aber gutaussehenden Mann.Die Ehe hat meine Hoffnungen eine nach der andern zerpflückt.Heute habe ich das gesetzliche Glück und das Glück, das man strafbar nennt, verloren, ohne das Glück kennengelernt zu haben.Es bleibt mir nichts.Wenn ich schon nicht zu sterben verstand, will ich wenigstens meinen Erinnerungen treu bleiben.«Bei diesen Worten weinte sie nicht, sie hielt die Augen gesenkt und preßte nervös ihre Finger, die sie wie gewohnt übereinandergelegt hatte.Das alles wurde ganz schlicht gesagt, aber der Ton ihrer Stimme sprach von einer Verzweiflung, die so tief wurzeln mußte wie ihre Liebe, und ließ Charles keinerlei Hoffnung.Dieses furchtbare Dasein, das sich in diesen drei Sätzen, untermalt von einem schwachen Händeringen, kundtat, dieser gewaltige Schmerz einer zarten Frau, dieser Abgrund hinter der Stirn einer schönen Frau, die Trostlosigkeit und die Tränen einer dreijährigen Witwenschaft – all das bezauberte Vandenesse.Er blieb schweigsam und fühlte sich klein vor dieser großen und edlen Frau: er sah nicht mehr ihre erlesene und vollendete körperliche Schönheit, nur noch die unvergleichliche Empfindsamkeit ihrer Seele.Endlich traf er das ideale Geschöpf, von dem alle, die das Leben auf die Leidenschaft gründen, die glühend nach ihr suchen und oft sterben, ohne all ihre ersehnten Schätze genossen zu haben, so schwärmerisch träumen, das Geschöpf, das sie so sehnsüchtig begehren.Angesichts dieser Sprache und dieser erhabenen Schönheit fand Charles seine Gedanken dürftig.Er sah sich außerstande, Worte zu finden, die dieser schlichten und doch ergreifenden Szene angemessen waren, und griff zu Gemeinplätzen über das Schicksal der Frauen.»Madame«, sagte er, »man muß seine Schmerzen vergessen können; sonst schaufelt man sich selbst das Grab.«Aber die Vernunft wirkt gegenüber dem Gefühl immer jämmerlich, ihr sind, wie allem, was wirklich ist, Grenzen gesteckt, während die Empfindung unendlich ist.Schwunglosen Seelen ist es eigen, die Vernunft walten zu lassen, wo es zu empfinden gilt.Vandenesse schwieg also, sah Madame d'Aiglemont lange an und ging.Bislang unbekannte Gedanken rissen ihn mit sich fort und verklärten das Bild der Frau; so war er wie ein Maler, der erst die gewöhnlichen Modelle seines Ateliers als typisch genommen und dann plötzlich die ›Mnemosyne‹ des Museums entdecken sollte, die schönste und am wenigsten geschätzte der antiken Statuen.Charles war tief bewegt.Er liebte Madame d'Aiglemont mit der Treuherzigkeit der Jugend, mit der Glut, die der ersten Leidenschaft eine unsägliche Anmut und Unschuld verleiht, welche der Mann, wenn er später wieder liebt, nur noch in Trümmern wiederfindet; köstlich ist diese erste Liebe, und die Frauen, die sie hervorrufen, kosten sie fast immer mit Wonne aus, denn in diesem schönen Alter von dreißig Jahren, dem romantischen Gipfel im Leben einer Frau, können sie den ganzen Lauf dieses Lebens überschauen und in Vergangenheit und Zukunft zugleich blicken.Die Frauen kennen dann den ganzen Preis der Liebe und genießen sie in der Furcht, sie zu verlieren: noch verschönt die schwindende Jugend ihre Seele, und die Bilder einer drohenden Zukunft lassen ihre Liebe tiefer und leidenschaftlicher werden.›Ich liebe‹, sagte diesmal Vandenesse, als er die Marquise verließ, ›und zu meinem Unglück eine Frau, die an Erinnerungen gefesselt ist
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