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.Dort setzten sich die beiden auf den Bordstein und schwiegen.Joel, das Gesicht in die Hände gestützt, hörte das leise Schniefen neben sich, und spürte, wie die Kälte der hereinbrechenden Nacht immer mehr an ihm zu zerren begann.Er sah das Gesicht seines Freundes vor sich, seine braunen Augen, die ohne Worte die Frage nach Cecile stellen würden.Es war immer nur dieser Moment in seinem Kopf, der sich wie eine Endlosschleife in seinen Gedanken wiederholte, und immer dann aufhörte, sobald Joel ihm die Antwort geben müsste.Der Junge spürte das Zittern neben sich, das ihn von seinem eigenen Frieren ablenkte.Er blickte zu Cathy, die sich mit dem Ärmel die Nase abwischte.Ihr Gesicht war verquollen.»Wir sollten gehen«, sagte er.Cathy schniefte.»Was wirst du ihm sagen?«Joel blickte zu seinen Füßen.»Die Wahrheit.«»Was?« Sie schüttelte den Kopf.»Nein, das kannst du nicht.Das wird er nicht verkraften!«Joel fuhr mit dem Daumen über seinen Handrücken.»Ich weiß«, flüsterte er.»Das darfst du nicht tun, wir erzählen ihm irgendetwas anderes.«»Jeder Mensch hat ein Recht auf Wahrheit«, sagte er.»Aber manchmal ist eine Lüge besser als die Wahrheit.«»Nein, Cathy«, antwortete er leise.»Die Wahrheit mag wehtun.Sehr weh sogar.Aber eine Lüge vergiftet.«Sie sah auf ihre Finger und sagte nichts mehr.Nach einer Weile stand Joel auf, wartete, bis er die leisen Schritte des Mädchens hinter sich hörte und sie zu ihm aufgeschlossen hatte.Den Blick auf den Boden gesenkt, wandelte er still neben ihr her.Hin und wieder streiften sich ihre Oberarme und Joel spürte, wie warm diese Berührung im Vergleich zur Nacht war.Vor der Halle wurden sie beide automatisch langsamer, bis ihre Schritte gänzlich erstarben.»Willst du es dir nicht doch noch überlegen?«, fragte Cathy.»Ich würde es mir sehr gerne überlegen, aber ich kann‘s nicht.Er ist mein Freund.« Joel blickte für einen Moment in Cathys Augen, dann drückte er die Klinke zur Halle hinunter.Louis saß im Schneidersitz auf seinem Schlafsack und hob das verweinte Gesicht.Seine Augen trugen genau den Ausdruck, den Joel sich in seinen Vorstellungen ausgemalt hatte.Als er ihn erreichte, ging er vor ihm in die Hocke und wich seinem Blick aus.»Ha-hast du Ce-Cecile nicht gefunden?«Joel spürte eine Hand, die sich auf seine Schulter legte und sanft zudrückte.Cathy.Er atmete tief durch.»J-J-Joel?«»Doch«, antwortete er schließlich mit dünner Stimme.»Wir haben sie gefunden.«»Wirklich?« Louis begann zu strahlen und richtete sich ein bisschen auf.»W-W-Wo ist sie?«Joel räusperte sich.»Sie ist …«»Ja?«, fragte Louis.Irgendetwas war da in Joels Hals, das sich nicht runterschlucken ließ und sich von Sekunde zu Sekunde mehr verkantete.»Sie ist …« Seine Zunge klebte am Gaumen fest, sein Mund wurde trocken, fühlte sich an wie bei einer Wanderung durch die vierzig Grad heiße Sahara.»Sie ist …«»Was ist s-sie?«Louis’ Blick stach Joel wie tausend kleine Messer ins Fleisch.Er spürte, wie der Druck an seiner Schulter fester wurde und neigte den Kopf in Richtung Cathys Hand.»Sie ist nicht hier«, sagte sie da.»Wo d-d-dann?«Joels Gedanken schweiften zurück, sahen den kleinen Katzenkörper in der dreckigen Gasse liegen.Er legte seine Hand auf Cathys und senkte den Kopf.»Bei einem Mädchen«, sagte sie.Die Worte schnürten sich um Joels Kehle, drückten sie so fest zusammen, dass er kaum noch Luft bekam.»Wir waren im Prospect Park«, stammelte Cathy weiter.»Da war ein kleines Mädchen und hat mit … Cecile gespielt.Ganz lieb hatten sich die beiden, du hättest es sehen müssen.Cecile war so glücklich.Und das Mädchen … Es war krank.Schwer krank.Aber es hat so gelächelt wegen Cecile.« Cathy schluckte.»Wir sind zu den beiden hingegangen, haben gesagt, dass wir Cecile mitnehmen müssen … Und dann hat das Mädchen zu weinen angefangen.Es ist furchtbar traurig geworden, Louis.«Wasser sammelte sich in Louis’ Augen und langsam begann er den Kopf zu schütteln.»Du-Du-Du lügst!«»Nein, Louis, ich lüge nicht.« Cathy wischte sich eine Träne aus dem Gesicht.»Du-Du-Du weinst«, sagte er.»Joel, w-w-w-warum lügt Cathy?«Joels Magen zog sich zusammen.»Cathy lügt nicht«, antwortete er.»Cathy weint, weil sie Cecile vermisst.Genau wie du und ich sie vermissen.Cecile hat jetzt ein neues Zuhause, Louis, ein viel besseres als das hier.Und sie muss dem kleinen Mädchen helfen, dass es wieder gesund wird.«Louis hatte bis spät in die Nacht hinein geweint.Cathy und Joel hatten bei ihm gesessen, ihm den Rücken gestreichelt, mit ihm geredet – und doch war die Wunde in seinem Inneren zu groß, als dass die Gesten irgendetwas hätten bewirken können.Irgendwann war er eingeschlafen, einfach so.Wie es ein Kind tat, das unter Schock stand.Joel und das rothaarige Mädchen hatten sich zurückgezogen, lagen sich im Schlafsack gegenüber, die Augen geöffnet, die Münder geschlossen.Cathy griff nach seiner Hand, umschloss sie mit ihrer.Joel spürte ihre feingliedrigen Finger, die sich zwischen seine schoben, und konnte den Blick nicht mehr davon lösen.Bisher hatte er mit seinen Händen nur etwas getragen, etwas gehalten, etwas geschrieben, eben das, was Hände so taten.Auf diese Weise aber hatte er noch nie von ihnen Gebrauch gemacht.»Du hast gesagt«, flüsterte Cathy, »dass du Musik magst, die zu deiner Stimmung passt.Welches Lied würdest du jetzt hören?«Joel blickte ihr in die Augen.Da war so ein Schein um dieses Mädchen, ein helles Licht, als könnte es um Joel nie dunkel werden, solange er nur in ihrer Nähe wäre.»Creep«, sagte er, »Creep von Radiohead.«»Worum geht es in diesem Lied?«Joel fuhr mit seinem Blick Cathys Gesichtszüge nach, glitt über die winzigen Unebenheiten ihrer Haut, die gerade Linie ihrer kleinen Nase, die geschwungene Form ihrer roten Lippen.Und dann war es, als würde jemand einen Spiegel zwischen die beiden schieben und Joel sah sich selbst.Sah diesen jungen Mann mit diesem verkorksten Leben und dieser verkorksten Seele, bis obenhin gefüllt mit hoffnungslosen Wünschen und Träumen, zusammengehalten von einer krankheitsanfälligen Hülle aus Vergänglichkeit.Cathy lag neben ihm, war greifbar, und doch war sie ferner als das Universum.»Ich habe vergessen, worum es in dem Lied ging«, sagte er leise.»Lass uns jetzt schlafen, in Ordnung?«Cathy sah nicht so aus, als wäre das für sie in Ordnung, trotzdem erwiderte sie nichts.Nach einer Weile entzog Joel ihr die Hand, drehte sich um und wandte ihr den Rücken zu.Er wartete auf das typische Rascheln neben sich, das Zeichen, das auch Cathy sich abgewandt hatte, doch es trat nicht ein.Cathy blieb liegen, für einen langen Moment.Dann spürte er, wie sich ihr Oberkörper seinem Rücken näherte, sich sachte andrückte, und wie sich ihr Gesicht in seinen Nacken schmiegte, wie ihre Atmung auf seine Haut traf und wie ihr Arm sich um seine Hüfte legte.Joel machte für die gesamte Nacht kein Auge zu.~~~Am nächsten Morgen schlich er sich, während alle noch schliefen, aus der Halle.Draußen war die Luft so viel frischer, konnte viel tiefer in seine Lungen eindringen, und es fühlte sich für ihn wie der erste richtige Atemzug seit Stunden an.Die Schatten unter seinen Augen waren dunkel, die Mimik seines Gesichts leer wie der Blick einer Statue.Er zog die Schultern hoch und begann zu laufen.Überallhin.Nirgendwohin.Ständig die Wärme, die er in Cathys Nähe verspürt hatte, in Erinnerung, und verfolgt von dem Gefühl, gar nicht weit genug davor fliehen zu können.Louis’ Augen und der kindliche, gebrochene Ausdruck darin schwebten wie eine Gewitterwolke über ihn, der Anblick der toten Katze klebte wie Blut in seinem Nacken.Joel verschwand mit jedem Schritt weiter im Nebel, der die Stadt wie ein dichter Schleier unter sich zu verbergen drohte, und doch fühlte er sich, als käme er keinen Zentimeter voran.Die Leute, die seinen Weg passierten, wechselten
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