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.»Untersteh dich, mir zu drohen!« hatte sie ihn angeschrien und dann entsetzt zugesehen, wie Seamus in Tränen ausbrach.Schluchzend erzählte er ihr, daß er den Scheck in denselben Umschlag wie seinen Brief gesteckt hatte und das Kind aus dem Stockwerk über Ethel zu ihm sagte, er bringe wohl das monatliche »Lösegeld«.»Das ganze Haus hält mich für einen Trottel!«Ruth hatte die ganze Nacht im Zimmer einer ihrer Töchter wachgelegen.Sie war so voller Verachtung für Seamus, daß sie den Gedanken, in seiner Nähe zu sein, nicht ertrug.Gegen Morgen wurde ihr klar, daß die Verachtung auch ihr selber galt.Diese Frau hat mich zu einer keifenden Megäre gemacht, dachte sie.Das muß ein Ende haben!Jetzt war ihr Mund zu einem harten, geraden Strich geworden, als sie, statt nach rechts zur Untergrundbahnstation am Broadway abzubiegen, geradeaus die West End Avenue hinaufging.Ein scharfer Morgenwind blies ihr entgegen, aber in ihren flachen Schuhen kam sie gut dagegen an.Sie wollte Ethel gegenübertreten.Das hätte sie schon vor Jahren tun sollen.Sie hatte genügend Artikel von ihr gelesen, um zu wissen, daß Ethel sich als Feministin gebärdete.Jetzt, da sie den Buchvertrag unterschrieben hatte, war sie verwundbar geworden.Die Post würde mit Wonne auf der Leserbriefseite abdrukken, daß Ethel tausend Dollar im Monat aus einem Mann herauspreßte, der für die Ausbildung von drei Töchtern aufzukommen hatte.Ruth erlaubte sich ein grimmiges Lächeln.Falls Ethel ihren Anspruch auf die Alimente nicht aufgab, würde Ruth sie in die Zange nehmen.Zuerst mit der Post.Dann mit dem Gericht.Sie war zum Personalbüro ihrer Firma gegangen, um einen Überbrückungskredit in der Höhe des Schulgelds aufzunehmen.Die Personalchefin war schockiert, als sie von den Alimenten erfuhr.»Ich habe eine Freundin, die eine gute Scheidungsanwältin ist«, sagte sie.»Sie kann es sich leisten, auch einmal ohne Honorar zu arbeiten, und sie würde mit Vergnügen einen Fall wie diesen übernehmen.Soviel ich weiß, kann man eine im gegenseitigen Einverständnis getroffene Scheidungskonvention nicht einfach mißachten.Aber man könnte versuchen, eine gerichtliche Abänderung herbeizuführen.Wenn sich die Öffentlichkeit empört, geraten die Dinge vielleicht in Fluß.«Ruth hatte gezögert.»Ich möchte meine Töchter nicht in eine peinliche Lage bringen.Es wäre ja auch ein Eingeständnis, daß sich die Bar kaum rentiert.Lassen Sie mich darüber nachdenken.«Als sie die 73.Straße überquerte, entschied Ruth sich: Entweder verzichtet sie auf die Alimente, oder ich werde mit der Anwältin sprechen.Eine junge Frau mit einem Kinderwagen kam ihr entgegen.Ruth trat zur Seite, um ihr Platz zu machen, und stieß mit einem schmalgesichtigen Mann zusammen, dessen Gesicht fast ganz von einer Mütze verdeckt war und dessen schmutziger Mantel nach Wein stank.Angewidert rümpfte sie die Nase, klemmte ihre Handtasche fester unter den Arm und wechselte auf die andere Straßenseite hinüber.Die Gehsteige wimmelten von Fußgängern, Kindern mit Schulbüchern, älteren Leuten, die ihren täglichen Morgenspaziergang zum Zeitungsstand machten, Menschen auf dem Weg zur Arbeit, die ein Taxi herzuwinken versuchten.Ruth konnte nie vergessen, daß sie vor zwanzig Jahren beinahe ein Haus in Westchester gekauft hatten.Fünfunddreißigtausend Dollar sollte es damals kosten; heute müßte es das Zehnfache wert sein.Als die Bank die Höhe der Alimentenzahlungen erfuhr, wurde ihnen die Hypothek nicht bewilligt.Ruth bog jetzt in die 82.Straße ein, in der Ethels Haus lag.Sie straffte die Schultern, rückte ihre randlose Brille zurecht, als bereite sie sich wie ein Boxer darauf vor, in den Ring zu treten.Seamus hatte ihr erzählt, daß Ethel ein Apartment im Parterre mit einem eigenen Eingang bewohnte.Der Name E.Lambston über der Türglocke bestätigte dies.Von drinnen hörte sie den schwachen Ton eines laufenden Radios.Sie drückte den Zeigefinger fest auf die Klingel.Niemand reagierte auf ihr erstes und zweites Läuten.Aber Ruth ließ sich nicht so leicht entmutigen.Beim drittenmal behielt sie den Finger auf dem Knopf.Das laute Klingeln dauerte eine volle Minute, ehe es durch das Klicken des gedrehten Schlüssels belohnt wurde.Die Tür wurde aufgerissen.Ein junger Mann mit ungekämmtem Haar und in einem noch nicht zugeknöpften Hemd starrte sie wütend an.»Was, zum Teufel, wollen Sie?« fragte er und machte gleich darauf sichtlich den Versuch, sich zu beruhigen.»Verzeihung.Sind Sie eine Freundin von Tante Ethel?«»Ja, und ich muß sie sprechen.« Ruth machte einen Schritt vorwärts und zwang den jungen Mann, ihr entweder den Weg zu versperren oder sie durchzulassen.Er trat zurück, und sie befand sich im Wohnzimmer.Rasch blickte sie sich überall um.Seamus sprach immer von Ethels unordentlichem Haushalt, aber die Wohnung war tadellos aufgeräumt.Ein bißchen viele Zeitungen lagen herum, aber sie waren in Stapeln geordnet.Schöne antike Möbel.Seamus hatte ihr von den Stücken erzählt, die er Ethel gekauft hatte.Und ich lebe in all dem greulichen Plunder, dachte Ruth.»Ich bin Douglas Brown.« Doug wurde auf einmal von Besorgnis ergriffen.Irgend etwas an dieser Frau und an der Art, wie sie die Wohnung beäugte, machte ihn nervös.»Ich bin Ethels Neffe«, sagte er.»Haben Sie eine Verabredung mit ihr?«»Nein.Aber ich bestehe darauf, sofort mit ihr zu sprechen.« Ruth stellte sich ihrerseits vor.»Ich bin Seamus Lambstons Frau, und ich bin hier, um den letzten Scheck, den er Ihrer Tante gegeben hat, wieder abzuholen.Von jetzt an werden keine Alimente mehr gezahlt!«Auf dem Schreibtisch lag ein Stapel Post.Ziemlich weit oben sah sie einen weißen, braun geränderten Umschlag aus dem Haufen herausragen.Es war das Briefpapier, das Seamus von seinen Töchtern zum Geburtstag bekommen hatte.»Ich nehme mir den da«, sagte sie.Ehe Doug sie daran hindern konnte, hatte sie den Umschlag in der Hand.Hastig öffnete sie ihn und zog den Inhalt heraus.Nachdem sie einen Blick darauf geworfen hatte, zerriß sie den Scheck und tat den Brief zurück in den Umschlag.Während Doug ihr zusah, zu perplex, um zu protestieren, griff sie in ihre Handtasche und holte die Stücke der von Seamus zerrissenen Hunderternote hervor.»Ihre Tante ist nicht da, nehme ich an«, sagte sie.»Sie sind ganz schön unverfroren«, fuhr Doug sie an.»Ich könnte Sie verhaften lassen.«»Das würde ich an Ihrer Stelle nicht versuchen.Hier!« Damit drückte sie ihm die Stücke des zerrissenen Geldscheins in die Hand.»Sagen Sie der Schmarotzerin, sie soll sich den zusammenkleben und damit ihr letztes Luxusmahl auf Kosten meines Mannes bezahlen.Sagen Sie ihr, daß sie keinen roten Heller mehr von uns bekommt, und wenn sie es versucht, wird sie es bis zu ihrem letzten Atemzug bereuen!«Ruth ließ Doug gar keine Gelegenheit zu antworten.Sie ging hinüber zu der Wand, wo Ethels Fotos hingen, und betrachtete sie eingehend.»Da gibt sie vor, sich für alle möglichen, nicht näher bezeichneten guten Zwecke einzusetzen, und nimmt ringsum ihre verdammten Auszeichnungen entgegen, und dabei treibt sie den einzigen Menschen, der je versucht hat, sie als Frau und menschliches Wesen zu behandeln, ins Grab.« Ruth wandte sich um und sah Doug ins Gesicht.»Für mich ist sie verachtenswert.Ich weiß auch, was sie von Ihnen denkt.Sie lassen sich in teure Restaurants zum Essen ausführen, für das mein Mann und ich und unsere Kinder die Rechnung zahlen.Doch damit nicht genug, bestehlen Sie die Frau auch noch.Ethel hat meinem Mann von Ihnen erzählt.Ich kann nur sagen, Sie sind auch nicht besser als sie.«Damit war sie verschwunden.Mit blutleeren Lippen sank Doug aufs Sofa.Wem hatte Ethel, das Großmaul, wohl sonst noch erzählt, daß er sich seinen Teil an ihrer Alimentenbeute zu nehmen pflegte?Als Ruth auf den Gehsteig hinaustrat, sprach eine Frau sie an, die auf der Eingangstreppe des Hauses stand.Sie schien Anfang vierzig zu sein
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